Erste Erfahrungen im Wattenmeer

Am 21. Juli 2013 war es endlich soweit – wir konnten endlich unser neues (gebrauchtes) schwimmendes Domizil beziehen: eine stählerne Deckshausyacht vom Typ Hallig39 DS. Ein Eigenbau nach Plänen von Konstrukteur Helmut Koch, Baujahr 2005. Gebaut von einem Schiffsingenieur in Zusammenarbeit mit erfahrenen Fachkräften der Gewerke Metallbau, Maschinentechnik, Elektrik und Innenausbau: gebaut für die Ewigkeit. Lange haben wir gesucht, viele Boote besichtigt von Kopenhagen bis Griechenland doch keines konnte den Vergleich mit der Nis Puck standhalten die der Skipper bereits im Februar 2011 erstmalig mit Segelkamerad Heiko besichtigt hatte. Um ganz sicher zu gehen, nahm ich das Angebot von dem erfahrenen Vereinskamerad Peter gerne an, das Schiff gemeinsam im Juni unter die Lupe zu nehmen. Sein Kommentar: das Schiff musst du kaufen! Am gleichen Tag noch wurde der Vertrag unterschrieben.
Nachdem nun die Formalitäten der Übergabe erledigt waren, begannen wir mit der Grundreinigung auch wenn das Wetter eigentlich zum sofortigen Ablegen lockte. Bis dann alles fertig und restliche Ausrüstung besorgt war, vergingen zwei weitere Tage ehe wir endlich in See stechen konnten. Eigentlich fing der Törn im Binnengewässer an, denn das Schiff lag in Harlesiel hinter der Schleuse im Binnenhafen.
Gleich das erste Ablegemanöver mit Eindampfen in die Vorspring wurde hektisch, da der Schleusenwärter freundlicherweise „Stauwasser in 10min“ ankündigte und wir uns so die ungeliebte erste Schleusung mit neuem Schiff ersparen konnten. Also nix wie ab durch die geöffneten Schleusentore in den Außenhafen wo bereits ein Fischerboot abgelegt hatte und sich Richtung Nordsee auf den Weg machte. „Wenn der durchkommt reicht die Wassertiefe auch für uns“, dachten wir, da unser Hubkieler mit eingezogenem Kiel nur 1,0m Tiefgang hat. Denkste! Der Fischer kannte das Fahrwasser und dessen Tücken, wir nicht. Also blieben wir erst mal im Schlick stecken, konnten uns aber dank des üppig bemessenen Dieselaggregats bald wieder in tieferes Wasser retten. Nun also schön dem Fischer genau folgen, doch auch er wurde durch den Schlick so manches mal abrupt abgebremst und musste sich mit viel PS wieder freischieben.
Fahrrinne Harlesiel
Endlich im tiefen Wasser konnten wir erstmalig bei Sonnenschein und 3-4 bft Segel setzen, untermalt von Rod Steward’s „I’m sailing,..“ – so hatten wir uns unseren ersten Nordseetörn vorgestellt, ein echter Genuss! Das es auch anders kommen kann erfuhren wir wenige Tage später. Aber erst einmal genossen wir das Wattenmeer, segelten ein bisschen zwischen Festland und Wangerooge in dessen Hafen wir schließlich im Päckchen festmachten und die erste Anlegerhopfenkaltschale dieses Törns bei Sonnenuntergang die durstigen Kehlen hinunterlief.
Nächstes Ziel war Spiekeroog, welches wir wegen des schmalen Wattfahrwassers und Wind gegenan nur unter Maschine erreichen konnten. Unterwegs grüßten die Seehunde von der Sandbank und wir erlebten auch diese Überfahrt bei strahlendem Sonnenschein.
Nach einem ausgiebigen Rundgang über die schöne Insel und durch das pittoreske Örtchen ging es tags darauf nach Neuharlingersiel, wo wir mangels Platz im Yachthafen direkt hinter einer Fischbude im Fischereihafen festmachten, mitten zwischen 2 Fischerbooten. Daher gab es nicht nur ein Anlegerbier sondern auch gleich das passende Anlegerfischbrötchen dazu, hmm. Der Hafen war schon proppevoll mit Kuttern, am folgenden Tag sollte die alljährliche Kutterregatta stattfinden und so waren die Fischer damit beschäftigt ihre Schiffe bunt zu schmücken. Am nächsten Morgen kam der erste Besuch an Bord und kurz darauf verscheuchte man uns aus dem Hafen, da der Platz für die Vorbereitung der Kutterregatta benötigt wurde. Es waren seit dem letzten Niedrigwasser 2 Stunden vergangen, daher wagten wir den Weg raus in die Fahrrinne um dann mit Schrecken die 2 Fähren in der Ferne zu erkennen die von Spiekeroog herüber kamen. Mit mulmigen Gefühl fuhren wir den Fähren entgegen und wollten respektvoll Platz machen, doch sofort blieben wir wieder im Schlick stecken als wir ca. 20m von den Pricken entfernt waren. Doch diesmal kamen wir nicht mehr frei und die erste Fähre kam unaufhaltsam Meter für Meter näher. Ich malte mir in Gedanken schon das knirschend-quietschende Geräusch aus, wenn Stahl auf Stahl trifft, doch der Kapitän beherrschte sein Handwerk: 1m Abstand zur Pricke und 3 m Abstand zu uns bei ordentlich Seitenwind. Puh, noch mal gutgegangen und wir um eine Erfahrung reicher. Nun aber nix wie rüber nach Spiekeroog, unser Besuch wollte unbedingt dort zum Strand und wir wollten sie ja mit ausreichend Wasser nachmittags wieder ans Festland bringen. Doch ein plötzlich aufziehendes Gewitter machte diese Pläne zunichte, so mussten sie mit der Fähre zurück nach Neuharlingersiel während wir das Unwetter im Hafen auf Spiekeroog an uns vorüberziehen ließen.
Tags darauf setzten wir unsere Nordseeerkundungstour fort: raus aus dem Hafen bei Sonnenschein und 3-4bft, ideales Segelwetter. Also den Lappen hoch und hoffnungsvoll ging es Richtung Langeoog. Doch kaum war eine Stunde vergangen wurde es am Horizont immer dunkler. “Ach, das schaffen wir schon, ist ja nicht so weit nach Langeoog“. Wie man sich doch täuschen kann.
Unwetter
Viel schneller als gedacht zog die immer dunkler werdende Front heran und wir kamen mit dem Bergen der Segel gar nicht so schnell voran wie der Sturm herannahte. Ich stand also noch am Mast um das Groß zu bergen als es richtig losging. Wir befanden uns bereits im Wattfahrwasser und vor uns hatte ein holländisches Plattbodenboot die gleichen Probleme wie wir. Um die Segel zu bergen fuhren sie quer zum Wattfahrwasser, meine Steuerfrau drehte beherzt am Rad um auszuweichen und rums saßen wir wieder im Watt fest. Wir hatten noch nicht mal den Hubkiel ausgefahren. So allmählich kamen wir zu der Erkenntnis, dass das mit den Gezeiten und Wattfahrwassern einem das Seglerleben doch recht schwer macht. Aber was soll’s: der Kiel besitzt eine dicke Stahlgrundplatte so dass wir einfach den Anker in das flache Wattwasser fallen ließen. Kurz danach blies der Wind in Böen mit 45 (!) kn, die Blitze zuckten und zeitgleich krachten die Donner – ab ins Deckshaus um das Spektakel trocken zu genießen. Da war es doch ein gutes Gefühl von Stahl umgeben zu sein, Michael Faraday lässt grüßen.
Nach dem Unwetter und genügend Wasser unterm Kiel ging es weiter nach Langeoog wo wir 2 schöne Tage verbrachten und auch gleich erste Erfahrungen mit dem Zoll machten. Zum Glück reichte dem Beamten die Kopie der Mehrwertsteuerbescheinigung, das Original hatte der Verkäufer vergessen zur Übergabe mitzubringen. Dessen Kommentar: „Ich segle schon 17 Jahre im Wattenmeer und hab nie einen Zollbeamten gesehen“ – na ja. Überhaupt hatten wir das Gefühl, in diesen 2 Wochen gleich alles mit zu bekommen was das Revier so zu bieten hat.
Da die Inselbahn nur im Rhythmus der Fähren über die Schienen rattert, gingen wir zu Fuß in den Ort um bei einem leckeren Abendessen im „Dwarslöper“ den ereignisreichen Tag revue passieren zu lassen. Kurz noch ein Besuch am Wasserturm mit Aussicht auf die Nordsee bei Sonnenuntergang und es ging zurück zu Fuß in den Yachthafen.
Auf dem Weg zum Heimathafen Harlesiel mit Zwischenstopp Spiekeroog nutzten wir die Vorteile des Hubkielers im Watt: problemloses Trockenfallen. Morgens um 7:00 in Spiekeroog abgelegt und im Harlesieler Wattfahrwasser einfach mal ein Stück weit das Wattfahrwasser verlassen und das Eisen fallen gelassen.
Trockengefallen
Nach einem ausgiebigen Frühstück und einem Sonnenbad gab es die obligatorische Wattwanderung, allerdings nur rund ums Schiff um mal den Rumpf in Augenschein zu nehmen. Dank dem Süßwasserliegeplatz in Harlesiel kein Bewuchs und keine Pocken vorhanden, dafür aber ein mächtiger Propeller.
Schraube
Das Trockenfallen und die sich dabei verändernde Landschaft ist schon sehr beeindruckend. Wir fanden es so schön, dass wir es noch ein zweites Mal am Ostende von Wangerooge wiederholten, dort leider nicht so einsam, da es ein beliebter Platz zum Trockenfallen ist.
Nachdem wieder genügend Wasser unterm Kiel war sind wir weiter nach Harlesiel und haben dann, unter “fachkundiger“ Beobachtung zahlreicher Touristen, auch das erste Mal die Schleuse benutzt. Der Schleusenwärter hatte es wohl eilig und öffnete die Schieber zügig bis zum Anschlag so dass wir ordentlich Dampf auf den Leinen hatten und aufpassen mussten nicht zu weit nach vorne geschoben zu werden. Direkt hinter der Schleuse ist unser Liegeplatz, doch leider hatten sich die Nachbarlieger längs etwas viel Abstand gegönnt, so dass wir erst mal Platz schaffen mussten. Mit Hilfe des Bugstrahlruders und der guten Wirkung des direkt angeströmten Ruderblattes war das Anlegemanöver trotz der beengten Verhältnisse kein Problem mehr.
Nach einer kleinen Arbeitsunterbrechung ging es bald wieder los, diesmal war Helgoland das Ziel.
Leider regnete es den ganzen Tag bei mäßigem Wind, so dass sich das Tanken auf Helgoland richtig lohnte. Zumindest war der befürchtete dichte Berufsschifffahrtsverkehr überwiegend auf Reede liegend, nur 2 Frachter kreuzten in großem Abstand unseren Kurs. Dies war mein erster Besuch auf Helgoland und wir unternahmen Tags darauf einen Ausflug zur langen Anna und kehrten danach bei der Kneipe „Bunte Kuh“ auf ein Bier ein. Ansonsten war nicht sonderlich viel zu sehen außer den vielen Tagestouristen die die „Schiffsausrüsterläden“ stürmten um sich mit Schnaps und Zigaretten einzudecken. Zum Glück war der Yachthafen recht leer, so dass wir nur zu zweit im Päckchen lagen. Im Hochsommer sollen es schon mal bis zu 20 (!) im Paket sein.
Nach einem gemütlichen Abend mit unseren Päckchennachbarn von der SY „Die zwei Gebrüder“ die uns reichlich mit Infos für die Route zu unserem nächsten Ziel versorgten, hieß es am nächsten Morgen Leinen los Richtung Norderney. Wir nahmen Kurs West während Jan und Adelheid von der SY „Die Zwei Gebrüder“ Kurs Richtung Hamburg nahmen und bereits im Vorhafen die Segel gesetzt hatten. Dies hätten wir besser auch getan, denn draußen erwartete uns eine unangenehme alte Welle von ca. 3m aus Nord die uns auf unserem Westkurs ordentlich durchschaukelte. Da macht das Segelsetzen am Mast nicht wirklich Spaß, zumal bei einem konventionellen Rigg. Der Zeitplan war wegen der Gezeiten wieder stramm, daher musste die meiste Zeit der Jockel wieder laufen. Wir querten bewusst die zwei Verkehrstrennungsgebiete um endlich mal den im Revierführer angekündigten dichten Schiffsverkehr zu erleben, es waren diesmal immerhin 5 Frachter, aber alle in unkritischen Abstand.
Die Ansteuerung von Norderney war dann schon interessanter, da wieder mal die Tonnen in der Karte nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmten. Zuerst dicht unter dem Strand ging es mit viel Strom schließlich durch das Seegatt und in den Hafen von Norderney, mit Abstand der teuerste der ostfriesischen Inseln. Am nächsten Tag wurde Norderney mit Strand ausgiebig abgegrast bzw. die Sonne im Strandlokal genossen.
Norderney im Strandcafe
Der Tag klang mit einem guten Essen an Bord aus und wir verbrachten eine ruhige Nacht im geschützten Hafen von Norderney.
Am nächsten Morgen ging es wieder raus vor die Inseln. Nachdem das Fahrwasser von Norderney passiert war konnten endlich wieder die Segel gesetzt werden. Bei mäßig Wind und wenig Welle ging es bis zur Otzumer Balje und durch das Seegatt zwischen Spiekeroog und Baltrum mit steigendem Wasser. Die Wassertiefe reichte noch nicht für den kürzesten Weg durch das Harlesieler Wattfahrwasser, so dass wir kurz davor noch einmal den Anker für ein Kaffeekränzchen im sonnigen Cockpit im trüben Wattwasser versenkten. Eine Stunde vor Hochwasser ging es dann weiter Richtung Harlesiel wo uns die geöffneten Schleusentore und die fachkundigen Touristen schon erwarteten.
Mit Wehmut machten wir dann an unserem Liegeplatz fest, denn es war die letzte Tour für die Saison. Das nächste Mal geht es ins Winterlager Richtung Niederlande, je nach Wetterlage aussen rum oder die stehende Mastroute entlang.

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